Freikörperkultur als Reisemangel

Art der Entscheidung

Urteil


Datum

20. 03. 2003


Aktenzeichen

16 U 143/02


Leitsatz des Gerichts

Ein Reisemangel liegt vor, wenn weder im Prospekt noch in den Reiseunterlagen darauf hingewiesen wird, dass die Gäste des gebuchten Hotels Freikörperkultur praktizieren.

Tenor

Auf die Berufung der Bekl. wird das am 26. 7. 2002 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des LG Frankfurt am Main teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Bekl. wird verurteilt, an den Kl. 2080,10€ nebst 5% Zinsen seit dem 2. 5. 2001 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kl. 69% und die Bekl. 31% zu tragen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kl. 60% und die Bekl. 40% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Bekl. bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, soweit nicht der Kl. zuvor Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet. Dem Kl. bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, soweit nicht die Bekl. zuvor Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

I. Der Kl. hat in erster Instanz zunächst auf Grund eines zwischen den Parteien abgeschlossenen Reisevertrages wegen Reisemängeln von der Bekl. teilweise Rückzahlung des Reisepreises und Schadensersatz in Höhe von insgesamt 5614,50 € nebst Zinsen und Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von 1022,58 € verlangt. Der Kl. hatte bei der Bekl. für sich und seine Ehefrau für die Zeit vom 4. 2. 2001 bis 19. 2. 2001 eine Reise nach Kuba gebucht. Nachdem der Kl. und seine Ehefrau die Reise zunächst angetreten hatten, hatten sie die gebuchte Hotelanlage vorzeitig verlassen und waren wieder zurückgereist.

Das LG hat auf Grund Beweisbeschlusses vom 22. 3. 2002 (Bl. 103 ff d. A.) Beweis durch Vernehmung von drei Zeugen erhoben. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird vollumfänglich auf den Tatbestand des angefochtenen am 26. 7. 2002 verkündeten Urteils der 19. Zivilkammer des LG Frankfurt am Main (Bl. 138 ff d. A.) Bezug genommen, § 540 I Satz 1 ZPO.

Gegen dieses Urteil, mit der der Klage lediglich teilweise in Höhe von insgesamt 5177,86 € nebst Zinsen stattgegeben worden ist, wendet sich die Bekl. mit ihrer Berufung, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Bekl. rügt die Rechtsanwendung des LG und macht weiter eine fehlerhafte Beweis- und Tatsachenwürdigung geltend. Sie ist der Auffassung, auf Grund fehlerhafter Beweiswürdigung habe das LG die Anwesenheit nackter Menschen in der Hotelanlage als erwiesen angesehen. Dieser Umstand stelle überdies keinen Reisemangel dar und rechtfertige keinesfalls eine Minderung um 50% des Reisepreises. Das LG habe auch das Umzugsangebot der Bekl. fehlerhaft nicht als ausreichend erachtet. Eine Minderung wegen der behaupteten „Fäkaliendusche“ scheitere- so meint die Bekl.- bereits an der fehlenden Rüge gegenüber der Reiseleitung. Letztendlich beanstandet die Bekl. die Annahme einer ausreichenden Kündigung des Reisevertrages und die Zuerkennung von Schadensersatz und Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit durch das LG. Hinsichtlich der Einzelheiten des Beklagtenvorbringens im Berufungsverfahren wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 7. 10. 2002 (Bl. 162 ff d. A.) und 30. 1. 2003 (Bl. 196 ff d.A.) verwiesen.

Der Kl. verteidigt die Rechtsanwendung und die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung, hilfsweise die Revision zuzulassen und dem Kl. zu gestatten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden, die auch durch Bank- und Sparkassenbürgschaft gestellt werden könne. Hinsichtlich der Einzelheiten des Klägervorbringens im Berufungsverfahren wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 26. 8. 2002 (Bl. 158 d. A.) und 16. 1. 2003 (Bl. 189 ff d. A.) Bezug genommen.

II. Die statthafte Berufung ist auch ansonsten zulässig, so insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 513, 517, 519, 520, 522 ZPO. Sie hat jedoch in der Sache nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Dem Kl. steht lediglich ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 1863,32 € im Hinblick auf den gezahlten Reisepreis zu, § 651e III BGB a. F.

So sind allerdings zunächst die Feststellungen des LG im angefochtenen Urteil, dass in der Ferienanlage „FKK praktiziert und dies von der Hotelleitung geduldet worden sei“ der Entscheidung des BerGer. zugrunde zu legen, § 529 I Nr. 1 ZPO, so dass sich aus diesem Gesichtspunkt heraus keine abweichende Entscheidung rechtfertigen könnte, § 513 I ZPO. Die Ausführungen des LG auf den Seiten 5 und 6 des angefochtenen Urteils zur Beweiswürdigung erscheinen dem Senat insgesamt nachvollziehbar und überzeugend; daraus wird hinreichend deutlich, aus welchen Gründen das LG der Aussage der Zeugin K. folgte und diese nicht durch die Aussagen der Zeugen M. und W. für entkräftet erachtete. Angesichts der sorgfältigen Abwägung im Urteil vermag der Senat den knappen Darlegungen in der Berufungsbegründung keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte zu entnehmen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des LG begründen könnten, §§ 513 I, 529 I Nr. 1 ZPO.

Zur Überzeugung des Senats weist auch die rechtliche Schlussfolgerung des LG, dass dieser Umstand einen Reisemangel i.S. des § 651c BGB begründet, keinen Rechtsfehler i.S. des § 513 I ZPO auf. Ein Fehler der Reise i.S. des § 651c I BGB kann dann vorliegen, wenn eine nach dem Vertrag geschuldete Leistung nicht oder nicht in der gebotenen Art und Weise erbracht wird und aus dem Verantwortungsbereich des Veranstalters stammt. Es ist im Einzelfall nach Art, Zuschnitt und Zweck der Reise auf Grund des Vertrages festzustellen, ob die Störung, etwa einer einzelnen Reiseleistung, bereits die Reise als solche in ihrem Nutzen beeinträchtigt erscheinen lässt oder ob es sich lediglich um die Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos oder um eine Unannehmlichkeit handelt, die im Zeitalter des Massentourismus hinzunehmen ist (vgl. im einzelnen Palandt/Sprau, BGB, 62. Aufl., § 651c Rz. 2; Führich, Reiserecht, 4. Aufl., Rz. 204 ff, 210 ff; Tonner, Der Reisevertrag, 4. Aufl., § 651c Rz. 9 ff, 28 ff, jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).

Ausgehend davon hat das LG vorliegend zu Recht auf der Grundlage der von ihm festgestellten Tatsachen einen solchen Reisemangel angenommen. Danach ergeben sich weder aus dem Reiseprospekt, noch aus den überreichten Reiseunterlagen, dass die Gäste in der vom Kl. gebuchten Ferienanlage Freikörperkultur praktizieren; der Kl. wurde hierauf auch nicht anderweitig hingewiesen. Zutreffend hat das LG darauf abgestellt, dass es sich bei in einer Hotelanlage praktizierter Freikörperkultur um eine sehr spezielle Form der Urlaubsgestaltung handelt, die nicht üblich und bei der Buchung eines insoweit nicht speziell ausgezeichneten Hotels auch nicht zu erwarten ist. Das Praktizieren von Freikörperkultur vermag durchaus das Ästhetik- und Schamempfinden und damit die Urlaubsfreuden anderer Reisender erheblich zu beieinträchtigen. Es entspricht jedenfalls auch heute noch nicht jedermanns Geschmack, sich in einer derartigen Anlage aufzuhalten und fremde nackte Menschen um sich herum zu sehen (vgl. auch AG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1147, 1148; vgl. auch den Hinweis von Tonner, a.a.O., Anhang zu § 651c Rz. 144). Insoweit ist die Situation für den Reisenden nicht mit derjenigen an bestimmten Stränden zu vergleichen, an denen man ganz oder weitgehend textilfrei baden darf; anders als dort vermag sich nämlich der Reisende in seiner Hotelanlage dem kaum zu entziehen. Die Grenze zur bloßen Unannehmlichkeit ist hier deutlich überschritten, dieser Umstand liegt vielmehr außerhalb der vereinbarten Sollbeschaffenheit und stellt eine erhebliche Beeinträchtigung der Tauglichkeit der Reise dar.

Die Bekl. als Reiseveranstalterin hat hierfür einzustehen. Es ist ausreichend, dass das Praktizieren von Freikörperkultur in der gebuchten Ferien-/Hotelanlage von dem dortigen Personal geduldet wurde, wie es das LG festgestellt hat. Nach dem vom LG festgestellten Sachverhalt kann gerade nicht davon ausgegangen werden, dass es sich lediglich um Einzelfälle handelte. Die Bekl. hat für das Handeln bzw. Nichthandeln ihres Leistungserbringers einzustehen und kann sich deswegen nicht darauf berufen, dass es sich lediglich um pflichtwidriges Verhalten von Mitgästen handelt. Ohnehin hätte auch die Bekl. gar nicht mehr hinreichend dargetan, welche konkreten Maßnahmen ergriffen wurden, um dem „Missstand“ entgegen zu wirken. Die in den Schriftsätzen vom 23. 8. 2001 unter Ziffer 3. (Bl. 48 d.A.) bzw. 27. 12. 2001 (Bl. 71 d. A.) geschilderten Hinweise sind – wie die Zeugin W. ausgeführt hat – offensichtlich nicht durchgehend erteilt worden; nach deren Aussage wurde jedenfalls nicht immer kontrolliert, so dass das Verbot oft unterlaufen worden sei. Auf das vom Kl. mit Schriftsatz vom 6. 12. 2001 eingereichte Schreiben an das Hotel kommt es mithin nicht an.

Durch diesen Reisemangel ist die Reise auch erheblich i.S. des § 651e I BGB beeinträchtigt worden, so dass der Kl. zur Kündigung des Reisevertrages berechtigt war. Ob eine erhebliche Beeinträchtigung in diesem Sinne gegeben ist, ist auf Grund einer Gesamtwürdigung anhand der konkreten Ausgestaltung der geschuldeten Reise, sowie der Art und Dauer der Beeinträchtigung zu entscheiden, wobei die angemessene Minderungsquote als Anhalt dienen kann (vgl. Palandt/Sprau, a.a.O., § 651e Rz. 2; Führich, a.a.O., Rz. 311b; vgl. auch Senat RRa 1995, 224, 225). Es kann jedenfalls in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob für eine solche erhebliche Beeinträchtigung eine Minderungsquote von 20% oder erst von 50% ausreichend wäre (vgl. im einzelnen hierzu: Führich, a.a.O., Rz. 311b; Palandt/Sprau, a.a.O., § 651e Rz. 2; Tonner, a.a.O., § 651e Rz. 11 ff). Bei der Unterbringung in der gebuchten Ferienanlage handelte es sich hier nämlich um eine zentrale Leistung des Reisevertrages. Sie nahm auch zeitlich einen überwiegenden Zeitraum der Reise ein, der daneben gebuchte Aufenthalt in Havanna hatte demgegenüber lediglich eine zeitlich untergeordnete Bedeutung. Angesichts dessen hatte der oben dargestellte Mangel für den Kl. eine die Gesamtreise erheblich beeinträchtigende Bedeutung; er war den Freikörperkultur praktizierenden Mitbewohnern während des Aufenthaltes in der gebuchten Ferienanlage weitgehend ständig ausgesetzt. Dem Kl. war damit jedenfalls die Fortsetzung der Reise infolge dieses Mangels nicht zuzumuten, vgl. § 651e I Satz 2 BGB. Es kann deshalb in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob dem Kl. darüber hinaus die Fortsetzung der Reise wegen der zweimaligen „Fäkaliendusche“ nicht ebenfalls unzumutbar gewesen wäre.

Ohne Rechtsfehler sind auch die Ausführungen des LG auf Seite 7 des angefochtenen Urteils, dass es vorliegend eines Abhilfeverlangens mit Fristsetzung (§§ 651c, 651e II BGB) durch den Kl. nicht mehr bedurfte. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des LG, denen sich der Senat anschließt, kann zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden. Die Bekl. hat keine angemessene Abhilfe angeboten; die vorgeschlagene Alternative war wegen der deutlich unterschiedlichen Ausgestaltung der Hotels nicht gleichwertig (zu den Einzelheiten: Führich, a.a.O., Rz. 248 ff; Tonner, a.a.O., § 651c Rz. 46). Das Ersatzhotel mag in preislicher Hinsicht und vom gebotenen Komfort her mindestens gleichwertig gewesen sein, es war aber nach dem Gesamtzuschnitt der gebuchten Reise für den Kl. subjektiv (zu diesem Erfordernis: Führich, a.a.O., Rz. 249) nicht zumutbar. Dieser hatte gerade eine Hotelanlage mit freistehenden Hütten gebucht und an einem Urlaub in einer großen mehrstöckigen Hotelanlage kein Interesse. Eine andere Abhilfemöglichkeit hat die Bekl. – auch nicht in der Berufung – dargetan.

Entgegen der Rechtsauffassung der Berufung fehlt es auch nicht an einer hinreichenden Kündigungserklärung des Kl.. Grundsätzlich werden an diese keine hohen Anforderungen gestellt; sie kann sogar konkludent (etwa durch Abreise) oder nach Reiseende erfolgen (vgl. im einzelnen: Führich, a.a.O., Rz. 316; Palandt/Sprau, a.a.O., § 651e Rz. 1; Martis MDR 2003, 191, 194). Abgesehen von dem nach Reiseende zugegangenen Schreiben vom 15. 3. 2001 hat das LG zutreffend auf das Schreiben vom 9. 2. 2001 abgestellt, hinsichtlich dessen der Kl. davon ausgehen konnte, dass es der Bekl. unmittelbar zugeleitet werde. Tatsächlich erhielt die Reiseleitung der Bekl. es spätestens am 11. 2. 2001, wie die Bekl. selber vorträgt. Angesichts des Umstands, dass der Kl. am Nachmittag des 7. 2. 2001 an – und bereits am 10. 2. 2001 wieder abreiste, vermag der Senat auch die Voraussetzungen der Verwirkung des Kündigungsrechts etwa wegen längerer widerspruchsloser Hinnahme von Mängeln nicht festzustellen (vgl. auch Führich, a.a.O., Rz. 317; Palandt/Sprau, a.a.O., § 651e Rz. 1). Ob die Annahme einer wirksamen Kündigung durch das LG trotz den Beweisbeschlusses vom 22. 3. 2002 für die Bekl. eine Überraschungsentscheidung hätte darstellen können, wie diese meint, kann nach den obigen Ausführungen im Ergebnis dahinstehen; ein vorheriger ausdrücklicher Hinweis hätte zu keiner anderen diesbezüglichen Beurteilung geführt.

Rechtsfolge der Kündigung ist, dass die Bekl. den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis verliert, § 651e III Satz 1 BGB. Sie kann jedoch für die bereits erbrachten oder zur Beendigung der Reise noch zu erbringenden Reiseleistungen eine nach § 471 BGB a.F. zu bemessende Entschädigung verlangen, § 651e III Satz 2 BGB a.F. Insoweit weist die Berechnung des LG zur Höhe der Erstattung des Reisepreises, wonach pauschal 2000,– DM vom Reisepreis abzuziehen seien, zur Überzeugung des Senats Rechtsfehler auf. Dass die Leistungen der Bekl. für den Kl. überhaupt kein Interesse gehabt hätten, § 651e III Satz 3 BGB, mithin völlig wertlos für ihn waren, kann nicht angenommen werden; hiervon ist er bei seiner Berechnung auch selber nicht ausgegangen.



Bei der Berechnung der der Bekl. zustehenden Entschädigung ist zunächst vom Gesamtreisepreis von 6626,– DM auszugehen, der alle Reiseleistungen umfasste. Dabei ergäbe sich bei 15 Tagen Reisedauer ein zum Zwecke der Entschädigungsberechnung in Ansatz zu bringender Reisepreis von 441,73 DM pro Tag.

Davon kann die Bekl. für den ersten Tag in Havanna, den 4. 2. 2001, wegen der erheblichen Flugverspätung lediglich 85%, mithin 375,47 DM, als Entschädigung verlangen. Dabei hat der Senat für jede Stunde, die eine noch hinnehmbare Verspätung von 4 Stunden übersteigt, 5% in Ansatz gebracht.

Für die beiden nächsten Tage, den 5. und 6. 2. 2001 in Havanna, kann sie den vollen Reisepreis verlangen, mithin 883,46 DM, da insoweit berücksichtigungsfähige Mängel nicht vorliegen.

Für den 7. 2. 2001, an dem der Kl. nachmittags in der gebuchten Ferienanlage ankam, kann die Bekl. 80%, mithin 353,38 DM als Entschädigung geltend machen. Hier könnte der Kl. zur Überzeugung des Senats lediglich wegen des „Praktizierens von FKK“ in der Ferienanlage den Reisepreis um 20% mindern. Alle anderen Mängel könnten – wie das LG zutreffend festgestellt hat – mangels Vorliegens der formellen Voraussetzungen nicht berücksichtigt werden. Anders als das LG vermag der Senat bei dem vorliegenden Zuschnitt der Reise nicht 50%, sondern lediglich 20% des Reisepreises als Minderung in Ansatz zu bringen. Dabei war von Bedeutung, dass der berücksichtigungsfähige Mangel lediglich den Aufenthalt in der Hotelanlage betraf; die Parteien hatten aber einen „All-inclusive“-Preis vereinbart, der noch vielfältige weitere Reiseleistungen beinhaltete. Für die anderen Leistungen, also etwa Verpflegung inklusive Getränken, Freizeitangebote und Unterkunft im engeren Sinne (also etwa deren Ausstattung und Lage) kann jedoch eine Minderung nicht in Ansatz gebracht werden. Der Senat hält unter Abwägung aller ersichtlichen Umstände, insbesondere der Art und Intensität des Reisemangels, hier lediglich eine (anteilige) Minderung des Gesamtreisepreises von 20% für angemessen. Für den 8. und 9. 2. 2001 kann die Bekl. 65%, mithin 574,24 DM, als Entschädigung verlangen. Dabei war neben dem bereits beschriebenen Fehler als weiterer Mangel an diesen beiden Tagen die defekte Duschanlage- die von den Parteien sogenannte „Fäkaliendusche“ – zu berücksichtigen, den der Senat angesichts der gravierenden Auswirkungen auf das Wohlbefinden des Kl. und seiner Ehefrau mit weiteren 15% bewertet. Dieser Mangel ist entgegen der Rechtsauffassung der Berufung berücksichtigungsfähig. Insoweit ist nämlich den formellen Anforderungen des § 651e II BGB Genüge getan worden. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das LG ein Abhilfeverlangen mit Fristsetzung für entbehrlich erachtet hat. Tatsächlich konnte der Kl. davon ausgehen, dass der Bekl. eine Abhilfe nicht möglich war, nachdem es nach vorherigem ausdrücklichen Hinweis am 9. 2. 2001 nochmals zu einer zweiten „Fäkaliendusche“ kam; ob der Defekt dann am 10. 2. 2001 – nach Abreise des Kl. – behoben war, ist unerheblich. Entgegen der Auffassung der Berufung hat das LG überdies ein diesbezügliches Abhilfeverlangen im angefochtenen Urteil festgestellt (vgl. Seite 8 oben des angefochtenen Urteils). An den diesbezüglichen Tatsachenfeststellungen hat der Senat keine durchgreifenden Zweifel; entsprechende Fehler werden durch die Berufung auch nicht aufgezeigt. Gleiches gilt für die tatsächlichen Feststellungen des LG im Hinblick auf das Vorliegen dieses Mangels.

Für den 10. 2. 2001 kann die Bekl. nach den obigen Ausführungen wiederum 80% als Entschädigung verlangen, mithin wiederum 353,38 DM. Für den 11. 2. 2001 – den Tag des Rückfluges – sind 100% des Reisepreises (= 441,73 DM) zu erstatten, da auch bei ordnungsgemäßer Leistungserbringung die Zeit für den Rücktransport hätte in Ansatz gebracht werden müssen. Es errechnet sich mithin unter Abzug der genannten Beträge (insgesamt 2981,66 DM) ein Erstattungsanspruch des Kl. in Höhe von 3644,34 DM, mithin ein Betrag von 1863,32 €.

Darüber hinaus steht dem Kl. ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung des Reisevertrages in Höhe von 424,– DM, also 216,78€, zu, § 651f I BGB. Das hierfür erforderliche Verschulden der Bekl. ist nach den obigen Ausführungen hinreichend belegt. Wie das LG zutreffend ausgeführt hat, hat die Bekl. den Entlastungsbeweis nicht geführt. Insbesondere kann danach nicht davon ausgegangen werden, dass die Bekl. alles getan habe, um die Beeinträchtigungen zu vermeiden, wie die Berufung meint.

Im Rahmen des Schadensersatzes hat das LG zutreffend das Flugticket (300,– DM), die Flughafensteuern (80,– DM) und die Telefonkosten (44,– DM), insgesamt also 424,– DM, als erstattungsfähigen Schaden in Ansatz gebracht, was von der Berufung der Höhe nach auch nicht konkret angegriffen wird. Ob und inwieweit bei Ankündigung der Rückreise durch den Kl. geringere Kosten angefallen wären, ist von der Bekl. nicht substanziiert vorgetragen worden.

Nicht erstattungsfähig sind allerdings zur Überzeugung des Senats die Notarvertreterkosten, soweit sie in zweiter Instanz noch Streitgegenstand lieh sind. Zu den Schäden i.S. von § 651f I BGB gehören alle Nichterfüllungsschäden einschließlich aller Mangel- und Begleitschäden, welche in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Reisemangel stehen. Ersatzfähig ist also zunächst das positive Interesse, d. h. der Gläubiger ist so zu stellen, wie er stehen würde, wenn der Schuldner ordnungsgemäß erfüllt hätte (Palandt/Sprau, BGB, a.a.O., § 651f Rz. 5; Vorb v § 249 Rz. 16; vgl. auch Soergel/Eckert, BGB, 12. Aufl., § 651f Rz. 11). Es muss sich um zusätzliche, neben dem Minderwert der Reise eingetretene Schäden handeln, da die eigentliche Reisebeeinträchtigung durch die Möglichkeit der Reisepreisminderung erfasst ist (vgl. auch Führich, a.a.O., Rz. 340). Zum ersatzfähigen Schaden nach § 651f I BGB zählen aber – wie erwähnt – auch Mangel und Mangelfolgeschäden, wie etwa getätigte Aufwendungen, die sich im nachhinein als nutzlos herausstellen. Insofern beschränkt sich § 651f I BGB nicht nur auf das positive Interesse, sondern umfasst im Gegensatz zum allgemeinen Schadensrecht unter dem Gesichtspunkt der fehlgeschlagenen Aufendungen auch das negative Interesse (vgl. Seyderhelm, Reiserecht, § 651f Rz. 13). So sind also ausgleichsfähig alle nutzlosen Aufwendungen und Mehrkosten zum Ausgleich von Mängeln (vgl. Führich, a.a.O., Rz. 343; Tonner, a.a.O., § 651f Rz. 6), wobei jedoch ein Kausalzusammenhang zu dem Reisemangel bestehen muss (vgl. Kailer, Reiserecht, Rz. 275). Hier hat aber der Kl. bereits nicht dargelegt, dass die Kosten für den Notarvertreter in zurechenbarer Weise auf den Reisemangel zurückzuführen sind. Die Notarvertreterkosten wären nämlich auch bei ordnungsgemäßer Leistungserbringung durch die Bekl. angefallen. Da der Urlaub nun – wovon der Kl. ausgeht – vertan ist, könnte es sich aus diesem Gesichtspunkt heraus allenfalls um fehlgeschlagene Aufwendungen handeln. Allerdings sind hier nicht die Aufwendungen für die gesetzlich erforderliche Vertretung des Notars fehlgeschlagen, sondern die Urlaubszeit war vertan. Insoweit hätte für den Kl. allenfalls die Möglichkeit bestanden, eine Entschädigung gem. § 651f II BGB zu erlangen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorgelegen hätten (vgl. dazu unten). Ein diesbezüglicher, ursächlich auf den Reisemangel zurückzuführender Vermögensschaden läge allenfalls dann vor, wenn der Kl. sich entschlossen hätte, die „vertane“ Zeit durch zusätzlichen Urlaub nachzuholen (vgl. auch OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 53, 54, zum Verdienstausfall). Selbst wenn man in diesem Zusammenhang die reine Differenzhypothese nicht anwenden (vgl. Pick, Reiserecht, 1995, § 651f Rz. 89 ff) und die Kosten für den Notarvertreter dem Grunde nach für erstattungsfähig halten wollte, so wären den Kosten für den Notarvertreter auch die Umsätze entgegenzusetzen, die er in dieser Zeit, die der Kl. seine Arbeitskraft nicht eingesetzt bzw. seine Pflichten als Notar nicht wahrgenommen hat, erwirtschaftet hat. Ansonsten würde dem Kl. ein ungerechtfertigter Vermögensvorteil entstehen. Hieran fehlt es. Der bloße Hinweis des Kl. darauf, dass ansonsten entsprechende Umsätze durch ihn selber erwirtschaftet worden wären, ohne dass zusätzliche Kosten für den Notarvertreter angefallen wären, vermag nicht durchzugreifen, weil der Kl. in dieser Zeit seine eigene Arbeitskraft gerade nicht eingesetzt hat.

Ein Anspruch auf Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit gem. § 651f II BGB steht dem Kl. nicht zu. Der Senat folgt hier der weitaus herrschenden Meinung, dass eine Vereitelung oder erhebliche Beeinträchtigung der Reise i.S. dieser Vorschrift erst dann vorliegt, wenn der Gesamtwert der Reise betroffen ist und ein gem. § 651d BGB zuzusprechender Minderungsanteil von mindestens 50% anzusetzen wäre (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2003, 59, 62; Kalier, Reiserecht, Rz. 280; vgl. auch die Nachweise bei Führich, a.a.O., Rz. 348, Tonner, a.a.O., § 651f Rz. 32 und Martis MDR2003, 191, 194; so auch schon Senat-6. 4. 1995 – Rra 1995, 147 [149], St. Rspr.). Davon kann nach den obigen Ausführungen für die vorliegende Gesamtreise nicht ausgegangen werden; danach läge eine anzusetzende Minderung erheblich niedriger. Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangene Schriftsatz der Bekl. vom 6. 3. 2003 war nicht nachgelassen und demgemäss nicht mehr zu berücksichtigen, §§ 525, 296a ZPO. Sein Inhalt rechtfertigt auch den Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung nicht, zumal sein Inhalt über das im Termin zur mündlichen Verhandlung Erörterte nicht hinausgeht.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits richtet sich nach § 92 I ZPO nach dem jeweiligen Anteil des Obsiegens und Unterliegens.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 Satz 1 ZPO. Eines besonderen Ausspruchs zur Bestimmung der Art der zu leistenden Sicherheit bedurfte es auf den lediglich allgemeinen Antrag des Kl. nicht, vgl. § 108 Abs.1 Satz 2 ZPO.

Gemäß § 543 I Nr. 1, II ZPO war die Revision zuzulassen, weil die Rechtssache zur Überzeugung des Senats durchaus grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des RevGer. erfordert.

Vorinstanzen

LG Frankfurt - 2-19 O 222/01

Rechtsgebiete

Reiserecht

Normen

BGB § 651 c